"Kannsch ma'n Käse hamm?" Max, der verrückte Kerl aus dem Englischlehrbuch, hört das nicht so gern.
"Das muss doch 'May I have some cheese, please?' heißen! Also noch einmal. Alle zusammen!" Eben gab es noch Pancakes mit Ahornsirup. Jetzt werden Sandwiches gebaut. Dazu brauchen wir: toast, ham, cheese, tomatos, cucumbers, lettuce and ketchup. Nach den Zutaten muss man Max aber schon auf Englisch fragen. Sonst gibt’s eben keine Wurst. Hungern braucht aber niemand in der Kl. 1b.
Ach ja, morgen ist französisches Frühstück angesagt. Internationales Flair wird in dieser Woche in der BIP Kreativitätsgrundschule Dresden versprüht. Drei große Themenräume und unzählige Aktivitätsangebote durchlaufen die Klassen in der Sprachenprojektwoche "Fremde Sprache - fremde Kultur?" Dabei geschehen merkwürdige Dinge. Eine Klassenleiterin ist gerade dabei, ihrer Klasse etwas über den berühmten Napoleon Bonaparte zu erzählen, als dieser plötzlich höchstpersönlich hereinpoltert und die Kinder erst einmal standesgemäß salutieren lässt. Er hat viel zu erzählen über Frankreich und die zahlreichen Länder, in denen auch französisch gesprochen wird. Napoleon ist ein Kaiser und alle spüren das. Noch einmal salutieren! Die Kinder gehorchen. Hat da jemand gelacht? Gleich noch einmal!
Was blubbert, brummt und röchelt denn da im Nebenraum? Kinder halten sich eine Art Rohr oder Schlauch an den Mund. Eine Lehrerin steht mit dem Ast eines Baumes daneben und bläst hinein. Inzwischen wissen die Schüler, dass diese Äste von Termiten ausgehöhlt wurden. Das Astrohr heißt Didgeridoo. Durch entsprechende Übung lässt sich ein tiefer Basston mit interessanten Modulationen erzeugen. Die australischen Aborigenes haben sich das ausgedacht. Aber nicht nur das. Sie haben auch mit Stöcken gemalt oder besser gesagt: getupft. Dot painting nennt man das. Wichtig ist, dass immer ein kleines bisschen Platz zwischen den Tupfern gelassen wird.
"Salam Alaikum!" "Alaikum Assalam!" Ein Mann steht vor einer selbstgemalten Karte. Er sieht aus wie ein Araber. Ein weißes Tuch schmückt seinen Kopf. Damit es echt aussieht, muss man es zu einem Dreieck falten, eine Ecke um den Kopf führen und schräg oben befestigen. Der zweite Zipfel wird nach unten fallen gelassen. Sobald ein Sandsturm naht, nimmt man ihn nach oben und bedeckt das Gesicht. Nur die Augen bleiben frei, Nase und Mund sind geschützt.
Der Mann mit dem Tuch berichtet über Kamele, Wüstensand und die Länder, in denen arabisch gesprochen wird. Mesopotamien, das Zweistromland mit den Flüssen Euphrat und Tigris, brachte die vermutlich erste Hochkultur der Menschheit hervor. Auch Oman ist ein bedeutsames Land auf der arabischen Halbinsel. Sindbad der Seefahrer wurde hier geboren. Es soll ihn wirklich gegeben haben. Auf dem Seeweg brachte er zum Beispiel Weihrauch nach Indien. Weihrauch ist ein Harz, das von einem Strauch gewonnen wird: Boswellia serrata. Man verwendete es für verschiedene Rituale und wog es mit Gold auf. Aus Indien brachte Sindbad Gewürze mit: Zimt, Curry, Pfeffer, Piment und Muskat. Er konnte sie teuer in den arabischen Ländern verkaufen. An einer anderen Seite des Raumes liegt ein großes Brett. Darauf sind sich überschneidende Kreisbögen und Linien zu sehen. Die Segmente wiederholen sich irgendwann, so dass ein interessantes Muster entsteht. Man finde solche Ornamente heute häufig in Spaniens alten Palästen, zum Beispiel in der Stadtburg Alhambra auf dem Sabikah-Hügel von Granada, sagt der Mann mit dem Tuch. Das Ornament ist noch lange nicht fertig gezeichnet. Das lädt zum Mitmachen ein. Es gibt noch viel zu tun.
Was es noch gab? Eine Menge könnte man schreiben. Jede Klasse hatte ihr eigenes Schwerpunktthema. Zusätzlich standen uns zwei kompetente Beraterinnen der Akademie für Kreativitätspädagogik zur Verfügung. Beispielhaft genannt sei ein wahrhaft feuriges afrikanisches Trommelkonzert der Klasse 1a, dessen Leitung Frau Dr. Huth in die Hand nahm. Frau Wintermann überzeugte mit der Idee, Flachfiguren einzusetzen. Im Gegensatz zu Handpuppen befinden sich Kopf und Rumpf der Figuren an verschiedenen Stäben. Mit geschickten Bewegungen können Dialoge nun viel ausdrucksstärker gestaltet werden. Der sogenannte Belebungsprozess einer Figur sorgt für eine spürbare Eigendynamik im Spiel. Die Klasse 2b hat das erlebt. Die kleinen selbst erdachten Stücke wurden immer länger. Die Kinder fingen an, Geschichten während des Spiels umzubauen. Sie improvisierten. Im Fremdsprachenunterricht lassen sich damit Sprachhemmungen spielend überwinden.
Inzwischen ist Freitagnachmittag. In der Aula wurden orientalisch anmutende Teppiche, Tücher und mit Edelsteinen verzierte Kissen ausgebreitet. Ein großer Mann mit schwarzem Umhang und roter Mütze stellt sich als reicher Kaufmann vor und beginnt zu erzählen. In einer Zeit vor etwa 1200 Jahren war Europa fast vollständig mit Wald bedeckt, sagt er. Im Orient, ungefähr 4000 Kilometer von hier, blühte die Kultur, die Medizin und der Handel. Er sei viel unterwegs als Kaufmann. In Bagdad habe man ihm eine Geschichte erzählt, die er nun in Samarqand (heutiges Usbekistan) weitererzählt habe. Irgendwie hat sich die Geschichte dadurch verändert. Seine Lebensweisheit und Erfahrung floss ein wenig mit ein. Der andere Kaufmann, dem er die Geschichte erzählt hatte, gab sie einige Zeit später ebenfalls weiter. Auch er veränderte sie ein wenig. So ging es immer weiter, bis irgendwann jemand die Geschichte aufschrieb. Der Kaufmann ist nicht allein gekommen. Er hat eine indische Prinzessin mitgebracht. Sie trägt ein besonderes Kleid: einen Sari. Im Schneidersitz singt die Prinzessin arabische Lieder und liest im Märchenbuch. Das indische Saiteninstrument, auf dem sie zum Abschluss spielt, ist eine Tanpura. Sie gehört zur Familie der Langhalslauten und imponiert durch den langen Hals und ihren dicken abgerundeten Korpus.
Am frühen Abend wird die Projektwoche mit einem Konzert der Gospel Passengers und dem Projektchor der Kreativitätsgrundschule musikalisch abgeschlossen.
(Karsten Goll)