Wenn sich vier Gleiche begegnen und miteinander wetteifern, wer es an Schönheit, Anmut, Vielfalt, Lebenskraft und Stärke mit dem jeweils anderen aufnehmen kann, erscheinen Wettbewerb und Prahlerei vorherbestimmt.
Und somit wäre das, womit sich die Kinder der Mittleren und Jüngsten Gruppen im April und Mai 2023 im Rahmen ihres musikalisch begleiteten Bühnenstücks beschäftigten schnell auf eine solche vermeintliche Show des Konkurrierens zu reduzieren. Doch so einfach ist diese Sache nicht.
Gerade in den Jüngsten und Mittleren Gruppen ist der Schritt von einer bloßen „Ich" zu einer auch das „Wir" erkennenden und handelnden Persönlichkeit einer der zentralen Punkte der Auseinandersetzung. Das Erlernen kooperativer Verhaltensweisen, die Weiterentwicklung eigener und gruppenbezogener Kompetenzen ist kein Selbstläufer und findet daher auch Berücksichtigung in den konkreten Zielen, Methoden und Inhalten unserer kreativitätspädagogischen Angebote und Förderpraxis, die jährlich in den Jahrespräsentationen ihren kulturellen Höhepunkt finden.
Wenn also in der Auseinandersetzung mit dem Thema in unserem musikalischen Bühnenwerk, das am 09.05.2023 vor den Eltern und am 13.05.2023 vor den Großeltern seine Aufführungen erfuhr, Frühling, Sommer, Herbst und Winter miteinander an der Oberfläche zu oben genannten Fragen wetteiferten, ging es unter der Oberfläche eben auch darum, zu erfahren und herauszuarbeiten, wer man ist, was einen ausmacht, auf welche Ressourcen man zurückgreifen kann und was man selbst, aber eben auch der andere bedarf, um sich zu entfalten. So kann es bspw. ja auch keinen Frühling geben ohne die Zeit der Ruhe und des Kraftsammelns, sprich in unseren Breiten ohne den Winter. Genau diesen elementaren Fragen stellten sich unsere Kinder, und wurden innerhalb der Erarbeitung des Stückes und auf der großen Bühne dann selbst unter der Anleitung ihrer Bezugserzieherinnen und Bezugserzieher zu kleinen fantasievollen Requisitenbauern, Schauspielern, Sängern, Rezitatoren und Tänzern.
Im Rahmen der Erarbeitung wurden viele Fähigkeiten trainiert und Handlungskompetenzen erweitert. Beispiele? So zum Beispiel beim Gestalten von Requisiten das saubere Schneiden, die korrekte Stift- und Pinselhaltung, der saubere und selbstbestimmte Umgang mit Farbe, beim Musizieren das Klatschen des Grundschlages, das Singen von Melodien im 3 bis 8 Tonraum, das Merken und Gestalten von Liedern und Texten, im Darstellerischen Spiel und Tanzen das Verinnerlichen von Handlungsschritten, das fabulierende und rekapitulierende Rollenspiel, das Führen von und Reagieren auf Handlungsschritte innerhalb der Gruppe, das Kennenlernen und die Orientierung in einem großen Aktionsraum (Aula der Schule), im Interaktionsspiel das Kennenlernen und Nutzen der eigenen aber auch der Stärken des Gegenübers, das Geben von Hilfestellungen, im psychomotorischen Bereich die Einhaltung von Körperspannung und Konzentration, Erlernen von Entspannungstechniken … Schnell wird klar, dass all diese anspruchsvollen und komplexen Aufgaben nur mithilfe des Aufbaus und Erhalts von kindbezogenen Interessen, Sinn, Spaß und Motivation der Kinder bearbeitet und zu einem erfolgreichen individuellen und gemeinsamen Handeln geführt werden können.
Wie wichtig die o.g. den Zielen zugeordneten Inhalte und Methoden bei der Entwicklung positiver Gestaltungskraft sind, verdeutlicht allein die Kraft und Lebendigkeit der konkreten gewählten und in Szene gesetzten Spielszenen: So stellte sich der Frühling am Beispiel von allerlei musikalischen und tänzerischen Boten vor: Blumen, Esel, Fuchs, Kuckuck, Storch und Bienen. Sie krochen und auferstanden aus ihren Winterquartieren und brachten jedes seiner Art nach das quirlige und interagierende Leben in die Natur zurück, ehe sie sich tanzend im bunten Reigen versammelten. Der Sommer wartete mit seinen Käfern, Raupen und bunten Schmetterlingen auf, die das Werk des Frühlings fortsetzten. Die Bienen füllten fleißig in den Blumenwiesen nach Honig dürstend ihre Eimerchen, bis ein großer brauner Bär den Honig ergattern will. Der Disput zwischen Bär und Bienen wurde jäh durch zwei dreiste Honigräuber gestört, die nun von Bienen und Bär über einen Sportparcours verscheucht wurden. Und da der Bär so fleißig die Bienen beschützt hatte, durfte er sich auch an dem Honig satt essen. Der Herbst wartete mit seinem Wind und seinem Regen auf. Doch zeigte sich dieser ganz und gar nicht trübe. Kinder mit bunten Regenschirmen ließen diese tanzen und bunte Drachen tummelten sich am Himmel und choreographierten einen die Formen wechselnden Ansturm von Impressionen.
Der Winter zeigte seine geheimnisvolle Macht in dem er darstellerisch Wasser zu Eis und Eis zu Wasser verwandelte. Bei den Auftritten zeigten die 85 Kinder der Mittleren und Jüngsten mutig, was sie gelernt hatten und liefen sprichwörtlich zur Höchstform auf. Die jeweils über 100 Zuschauer kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, mit wieviel Selbstbewusstsein, Selbständigkeit und Hingabe die Kinder ihre Spielrollen ausfüllten und logistische Aufgaben bewältigten. Der lange Applaus und die vielen lobenden Worte war Ausdruck des Dankes und der Hochachtung vor den gezeigten Leistungen. Im Namen aller: Liebe Kinder und Kolleginnen und Kollegen: Bravo! Bravo!
Apropos Show des Konkurrierens, Show des Wettbewerbs und der Prahlerei: Am Ende mochte jeder aus dem Publikum für sich entscheiden, welche Jahreszeit nun der Gewinner war. Die Kinder jedenfalls wussten, was sie unter der Oberfläche mit Fleiß, Energie, Hingabe und Spaß gefunden haben. In diesem Sinne: Wetten, vier gewinnt!
(Helge Hartwig)