Wir gratulieren Xenia Andrea Zeh (Kl. 8a) herzlich zu einem großartigen Erfolg: Ihr Gedicht „Ich, die Klippe des Horizonts“ ist unter den Gewinnertexten des Bundeswettbewerbs für Lyrik 2025.
Unter dem poetischen Monatsthema „die sonne im wasser zufällig großzügig“ waren junge Dichterinnen und Dichter deutschlandweit aufgerufen, originelle Vergleiche und ungewöhnliche Bilder zu finden – solche, die unsere Sicht auf die Welt verändern können. Xenia überzeugte mit ihrer kraftvollen, bildreichen Sprache. Herzlichen Glückwunsch!
(Marika Brauer)
Ich, die Klippe des Horizonts
Xenia Andrea Zeh
Ich bin wie die Klippe des Horizonts,
eine Schlucht über die du dich beugst,
um das fehlende Echo zu hören.
Na los, schrei doch deine glitzernden Probleme
in die dunkle Leere, dort, wo noch Platz ist,
vielleicht werden sie zu Sternen,
später zu Sternschnuppen,
denen ich meine Taschen zeige,
Taschen deiner weggeworfenen Momente,
ich habe sie auf meine Schultern geladen,
während du davon gehüpft bist.
Du hast mich nicht gefragt,
wie es mir geht,
mir geht es gut,
so wie es mir gut ging,
mir wird es immer gut gehen.
Denn ich bin wie die Klippe des Horizonts,
wie die jungen Strahlen der Sonne,
sie kitzeln die Blüten,
bis sie rot, gelb, blau leuchten,
und lassen den Nektar im Schatten alt werden,
wie Sorgen über Nacht.
Wie Verzweiflung, die in Träumen wächst,
welche die Nadeln der Tannen auflädt,
bis sie mir den Weg durch meine Fantasien leiten.
Auf der Suche nach der Klippe des Horizonts, nach mir,
denke ich an den schwerelosen Moment,
wenn ich gesprungen bin,
die Last der Taschen von meinen Schultern vertrieben,
Purzelbäume im All schlagend.
Doch manchmal bin ich auch eine Biene,
und ich wedle mit den Armen,
wedle und wedle und wedle,
bis der pochenden Angst in meinen Fingern schwindelig wird,
Panik darüber, der klebende Honig an meinen Flügeln
könnte mich in runden Welten ertränken.
Aber nein, heute ist die Welt flach,
bitte, bitte, bitte,
heute ist die Welt nicht rund.
Denn ich bin die Klippe des Horizonts,
mit sagenhaften Puderzuckerbergen,
wie gehämmerte Kerben meiner Brust,
bald mein Herz,
bald sind deine Gitterstäbe zerstört,
ich möchte dich lehren, wie man lächelt,
wie man aufrecht steht,
und ich möchte eine Hand auf das entstandene Loch legen,
damit sich kein Schmetterling ins Dunkel verirrt.
Nun musst du dich beeilen,
sonst gilt mein Name für zwei Teile,
zerbrochen wie ein Himmel,
der zu viele Vögel trägt,
Vögel so leicht,
wie ein Haufen Federn,
die Schwere ihrer Knochen in meinen.
Ich bin wie die Klippe des Horizonts,
und ich springe ab,
es fühlt sich nach Fliegen an,
nicht nach Fallen,
selbst mit zugeklebten Flügeln.